Alkestis - das Griechisch-Antike
Es muss an der Person liegen, dieser heißbegehrten, schönsten aller Töchter des Pelias, der sie nicht gerade bedingungslos dem jungen König Admetos von Pherai anvertraute.
Warum dieser das übliche Dankopfer an Artemis vergaß, weiß der Himmel - vermutlich war er voller Geigen. Und die Göttin strafte schnell. In der Hochzeitsnacht verwandelte sie die liebliche Braut in einen wütenden Haufen züngelnder Schlangen. Apoll, sein Freund, bog alles wieder zurecht. Nachdem das Opfer dargebracht war, handelte er sogar noch einen Sonderbonus für seinen Schützling aus ... die Unsterblichkeit, vorausgesetzt, dass ein Mitglied der Familie freiwillig für ihn in den Tod ginge.
Der schreckliche Tag kam früher, als erwartet. Admetos flehte skrupellos und von Todesangst eingeschnürt seine alten Eltern an, für ihn zu sterben, vergeblich. Auch sein junger, schöner Freund und Geliebter, Kreon, verweigerte dieses erbärmliche Ansinnen.
Und dann dieser eine Satz von Alkestis - und der war es auch, der mich unmittelbar packte: "Ersatz kann keiner für ihn sein. Ich bin’s. Ich bin Ersatz. Denn keiner ist zu Ende, wie ich es bin. Was bleibt mir denn von dem, was ich hier war. Das ist’s ja, dass ich sterbe … Ich nahm ja Abschied, Abschied über Abschied." (Rilke)
Dann die Stelle, wo alles kippt, wo dem heroischen Opfer der Alkestis ein kleines, aber berechnendes Kalkül angehängt wurde, nämlich die Forderung, sich nie mehr zu vermählen. Schnell versprach Admetos seiner opferbereiten Gemahlin von Künstlerhand aufs Ähnlichste ein Ebenbild anfertigen zu lassen, welches ihren Platz im ehelichen Lager einnehmen sollte. Was wäre wenn ... nicht ein Freund des Hauses, ausgerechnet Herakles, am selben Tag beim jungen Paar vorbeigesehen hätte? Von den Dienern und nicht etwa vom Witwer wurde er über den freiwilligen Tod von Alkestis aufgeklärt. Helden stehen nun einmal unter Zugzwang, immer wieder Heldentaten zu vollbringen. Und so entführte er Alkestis tief verschleiert und stumm aus der Unterwelt.
Und wieder kippt die Geschichte. War sie bisher tragisch, dann menschlich, so gleitet sie jetzt ins Komödienhafte. Unverzüglich verliebt sich der junge Witwer in die verschleierte Unbekannte, die Herakles vorgibt, in einem Wettkampf gewonnen zu haben. Wird er einen kleinen Sidestep in das reizvolle Feld der Untreue wagen? Nun, Euripides lässt es gut ausgehen, dem Happy End steht nach erklärenden Worten des Freundes nichts mehr im Weg. Was bleibt, ist eine Fülle von Fragen und Vermutungen.
Der Philosoph Hans Blumenberg spricht vom Deputat des Todes: " ... denn konstant ist, trotz eines Olymps voller Götter, das Gesamtvolumen an Leben, konstant das Gesamtvolumen des Todes." Und er meint außerdem, dass Herakles eine "Art Schattenbild, ein Phantom der Alkestis" dem Admetos zurückgebracht hätte.
War sie etwa gar nicht Alkestis, spielten ihm Erinnerung, Gefühle, schlechtes Gewissen einen Streich? Betrügt er Alkestis mir Alkestis, die Lebende mit einem Phantom? Ein bisschen blauäugig, stark egoman, dieser Admetos, der, bevor Alkestis noch ein Sterbenswörtchen sagen konnte, Jubelchöre für sein Land anordnete ... Das glückliche Ende scheint viel zu dick aufgetragen. Wäre da nicht der Chor, der im Abgang von der Szene ironisch genug kommentiert: Das Unverhoffte, das von den Göttern kommt, habe viele Gestalten des Dämonischen - was vom Schicksalhaften bis zum Gespenstischen reichen kann.